Donnerstag, 7. Dezember 2017

Das Geständnis

Sie hätte mich nicht schockierter ansehen können. Ihre wunderschönen grünen Augen waren weit aufgerissen und ich konnte erkennen, dass ihre Unterlippe bebte. Sie suchte sichtlich nach Worten, Worten, die ausdrücken konnten, was sie gerade empfand, aber dafür gab es wohl einfach keine Worte mehr. Jetzt liefen ihr die ersten Tränen über die Wangen und sich wich ein kleines Stück vor mir zurück. Auch ich machen einen Schritt zurück, um ihr den Platz zu geben, den sie jetzt brauchte.
Ich hatte gewusst, dass es gefährlich war, ihr die Wahrheit zu sagen und ich wusste, dass sie so reagieren würde, aber dennoch musste ich alles auf eine Karte setzen. Für mich würde es keine andere Frau mehr geben, dass wusste ich schon vom ersten Augenblick an, an dem ich sie gesehen hatte. Wieso das so war, wusste ich nicht und es konnte mir auch sonst niemand beantworten.
"Was bist du?", fragte sie kaum hörbar. Was ich allerdings vernahm, war ihre Angst, ihre Angst vor mir. Sie atmete tief durch und bemühte sich wieder etwas zur Ruhe zu kommen. "Was bist du?", wiederholte sie die Frage und klang dabei weniger, wie ein verängstigtes Mädchen, sondern wie eine starke und mutige Frau.
"Das ist nicht so leicht zu erklären", erwiderte ich und als sie gerade zum Protest ansetzen wollte fügte ich hinzu: "Wir nennen uns Arkossir, wir verfügen über gewisse Fähigkeiten, die über die von normalen Menschen hinausgehen. So kann ich mich in alle möglichen Lebewesen verwandeln, wie mein Vater und sein Vater. Meine Mutter hingegen hat eine andere Fähigkeit. Die einzelnen Gaben werden an die Nachkommen weitergegeben. Manchmal kommt es vor, dass sich zwei Fähigkeiten verbinden und daraus eine neue entsteht." Ich hatte es ihr so gut erklärt wie ich konnte ohne wirklich gegen den Kodex zu verstoßen, mal davon abgesehen, dass ich einer "Normalen" unser Geheimnis verraten habe natürlich.
"Und woher soll ich dann wissen, dass du wirklich du bist?", fragte sie misstrauisch. Tja, und da kam die Frage auf die ich ihr keine Antwort geben konnte.
"Das kann ich dir nicht sagen, ich kann dir nur sagen, dass ich es wirklich bin. Entweder kannst du genügend Vertrauen aufbringen oder nicht", sagte ich und spürte innerlich einen Stich. Wenn sie jetzt sagen würde, dass sie mir nicht vertrauen konnte, wusste ich ehrlich nicht, wie ich reagieren würde und was ich danach machen würde. Ich hatte es auf diese eine Karte gesetzt und musste jetzt darauf vertrauen, dass ich sie richtig eingeschätzt hatte.
"Ich weiß einfach nicht... das ist alles so verwirrend... und ich verstehe nicht, wie das überhaupt möglich sein kann", versuchte sie sich zu erklären, aber ich merkte, wie durcheinander sie jetzt war. Für mich geriet die Welt völlig aus dem Gleichgewicht. Ich hatte mich so sehr darauf verlassen, dass sie aufgeschlossen genug war, um damit fertig zu werden und jetzt hatte ich womöglich den größten Fehler gemacht.
"Warum ich?", fragte sie aus dem Nichts. Verwirrt sah ich sie an. Im ersten Moment verstand ich die Frage einfach nicht. "Wieso hast du es ausgerechnet mir anvertraut? Wieso hast du dich überhaupt für mich entschieden? Ich meine von Anfang an hast du nur Interesse an mir gehabt. Du hast alle anderen einfach abblitzen lassen."
"Keine Ahnung", sagte ich ehrlich und zuckte mit den Schultern. "Ich hab dich einfach gesehen und wusste, dass ich dich kennenlernen muss. Wieso das so ist, weiß ich nicht."
Nachdenklich musterte sie mich und schien abzuschätzen in wie weit ich ehrlich zu ihr war. Sie schien sich allmählich etwas zu entspannen und auch der Abstand zwischen uns schien mir nicht mehr unüberwindbar zu sein.
"Hör zu", sagte ich und machte einen Schritt auf sie zu. "Ich weiß weder, wieso ich so bin, wie ich nun mal bin - da fragst du am besten ein paar unserer Wissenschaftler - und genauso wenig weiß ich, wieso du es bist, die mir meinen Verstand raubt. Es ist einfach so."
"Aber...", begann sie und brach ab. "Ich bin doch nichts besonders. Ein einfaches und durchschnittliches Mädchen aus einer Kleinstadt." Ich musste ein breites Grinsen unterdrücken. Sie hatte ja keine Ahnung, was für eine Wirkung sie tatsächlich auf ihre Umwelt hatte. Wie sich alle nach ihr umdrehten, wenn sie durch einen Raum ging. Wie hübsch sie tatsächlich war und das ohne das ganze Zeug, dass viele andere brauchten um schön zu sein. Sie war es einfach.
"Glaub mir, du bist außergewöhnlich und dass kann ich aufrichtig sagen, denn ich habe schon viel Außergewöhnliches gesehen. Du bist einfach nur fantastisch." Es war die Wahrheit, die ihr wohl vorher noch nie jemand gesagt hatte, denn sie bekam knallrote Wangen und sie wich meinem Blick verlegen aus. Wie kann man sich nur so unterschätzen?, ging es mir durch den Kopf. Dann dachte ich an die fiesen Äußerungen ihrer Mutter, dass sie einfach nichts besonderes sei und doch mal mehr aus ihrem Typen machen sollte, dann hätte sie auch reelle Chance bei jemandem wie mir. Aber ich wollte sie so, wie sie war.
Jetzt lag es an ihr sich auch für mich zu entscheiden.

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